Unser Dekarbonisierungsfahrplan baut auf einem breiten Wissen aus Wissenschaft und Forschung sowie etablierten Ingenieurbüros auf. Gemeinsam haben wir einen ganzen Katalog an Fragen bearbeitet: Wie sind die geologischen Gegebenheiten für Tiefengeothermie? Gibt es ausreichend große Flächen für Solarthermie? Wie sind die Temperatur und Strömungsgeschwindigkeit der heimischen Flüsse? Wo könnte die Power-to-Heat-Technologie sinnvoll eingesetzt werden? In welchem Maße können Tankspeicher tageszeitliche Schwankungen beim Wärmebedarf ausgleichen? Welche Abwärmequellen in der Stadt bieten genug Energiepotenzial für Wärmepumpen? Wie lässt sich Abfallenergie besser nutzen? Welchen Beitrag kann nachhaltige Biomasse aus der Region leisten? … Die Aufzählung ließe sich mühelos erweitern. Aus den Antworten kristallisiert sich das Portfolio der Zukunft.
Der Dekarbonisierungsfahrplan dient uns als unternehmensinterne Leitlinie. Er orientiert sich an den Rahmenbedingungen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sowie dem Berliner Energiewendegesetz. Im ersteren trägt die Bundesregierung darin dem Umstand Rechnung, dass der Aus- und Umbau der Fernwärme der kosteneffizienteste Weg zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor ist. Für den Umbau zur treibhausgasneutralen Wärmeinfrastruktur stellt sie Fördergelder bereit.
Selbst bei der optimistischsten Prognose wird schnell klar, dass die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) auch in Zukunft benötigt werden, um die Strom- und Wärmeerzeugung sicherzustellen. Das gilt besonders für Zeiten, in denen erneuerbare Energien nicht oder nur in geringem Umfang zur Verfügung stehen.
Als Ersatz für fossiles Gas soll dabei u. a. fossilfreier Wasserstoff zum Einsatz kommen. Gasturbinenheizkraftwerke mit heutigen technischen Standards können perspektivisch auf die Verwendung von Wasserstoff umgerüstet werden. Allerdings steht die Technik noch am Anfang. Zudem ist heute noch nicht klar, wann welche Mengen Wasserstoff im Netz verfügbar sein werden. Dennoch gehen wir davon aus, dass wir als BEW Berliner Energie und Wärme langfristig Wasserstoff für die Wärmeversorgung einsetzen können.
Die Transformation des Erzeugerportfolios im Rahmen des Kohleausstiegs ist im vollen Gange und wird mit Technologien wie der Power-to-Heat-Anlage und dem Wärmespeicher am Standort Reuter West oder der Großwärmepumpe am Potsdamer Platz bereits sichtbar. Bis 2030 werden alle Kohle-KWK- und ein Großteil der älteren Gas-KWK-Anlagen stillgelegt. Gleichzeitig errichten wir weitere Großwärmepumpen, Biomasse-KWK-Anlagen und starten mit Probebohrungen für Geothermie. Offene Kapazitäten zur Deckung der Spitzenlast und zur Besicherung werden mit Power-to-Heat- und Gas-Anlagen, die zu einem späteren Zeitpunkt Wasserstoff als Brennstoff nutzen können, gefüllt.
Schrittweise erfolgt der Ausstieg aus fossilem Gas. Dafür werden weitere Potenziale mit Großwärmepumpen erschlossen. Ihr Anteil an der erzeugten Wärmeleistung beträgt rund 16 Prozent. Die Abwärmenutzung aus Abfallverwertung wird effizienter und erhöht ihren Anteil so auf 9 Prozent. Unter Vorbehalt des Fundes geeigneter Quellen werden Geothermie-Heizwerke errichtet. An ersten KWK-Standorten beginnt die Nutzung von fossilfreiem Wasserstoff.
Bis 2040 soll fossilfreier Wasserstoff an allen KWK-Standorten verbliebenes fossiles Gas ersetzen. Er wird einen Anteil von 20 bis 40 Prozent an der gesamten Wärmeerzeugung haben, je nachdem wie viele zusätzliche erneuerbare Potenziale wir noch erschließen können. Wärmepumpen werden mindestens 20 Prozent beisteuern, nachhaltige Biomasse weitere maximal 15 Prozent. Neben dem Ausbau von Niedertemperaturwärmequellen ist insbesondere bei der Geothermie mit der Erschließung zusätzlicher Wärmequellen zu rechnen. Der Anteil der Geothermie wird auf 6 Prozent geschätzt.
Neben der Umstellung der KWK-Standorte kommen die verbleibenden Gaskessel, die als Spitzenlastabsicherung und Reservekapazität dienen, an die Reihe. Die Herausforderung ist dabei, dass diese Anlagen typischerweise nur noch geringe Betriebszeiten aufweisen und eine Umrüstung entsprechend kostengünstig stattfinden muss. Mit diesem Schritt ist die Dekarbonisierung weitgehend abgeschlossen.
Da der Reifegrad der zukünftigen Wasserstoffwirtschaft heute schwer abgeschätzt werden kann, könnten einzelne Umstellungen von Gaskesseln auf Wasserstoff auch in die Jahre zwischen 2040 und 2045 fallen. Wir sind bestrebt, das Optimum zwischen Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Kosteneffizienz zu erreichen. Das klare Ziel ist die weitgehende Dekarbonisierung unserer Berliner Wärmeerzeugung bis 2040. Für die Jahre nach 2040 sind insbesondere effizienzsteigernde Maßnahmen sowie die potenzielle weitere Einbindung von dezentralen Wärmepumpen geplant.
Keiner kann in die Zukunft schauen. Dennoch ist der Dekarbonisierungsfahrplan weit mehr als ein Blick in die Glaskugel. In einem dynamischen Prozess wird er in den nächsten Jahren stetig weiterentwickelt und an die aktuelle Situation angepasst. Klar ist: Unsere Erzeugung wird wesentlich diverser und greift auf viele unterschiedliche Quellen zurück. Nicht zuletzt hängt das Gelingen der Transformation davon ab, ob die Politik die Plan-, Genehmigungs- und Förderverfahren vereinfacht und beschleunigt. Denn besonders die zentralen Projekte der Wärmewende wie Wasserstoffausbau, Großwärmepumpen oder Geothermieexplorationen erfordern mehrjährige Planungs- und Realisierungshorizonte.
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